Haben wir Dories Vergangenheit wirklich hinterfragt? Im Vorgänger aus dem Jahr 2003 rempelte sie Clownfisch Marlin (Albert Brooks, im Deutschen Christian Tramitz) aus Versehen an und war ab dann eben Teil der Geschichte. Aber wie überlebt ein Fisch, der sich nicht einmal an die letzten 30 Sekunden erinnern kann, im großen, weiten Ozean? Hier eine spoilerfreie Einführung in die Geschichte:
Vor 'Findet Nemo': Habt ihr zufällig Dories Eltern gesehen?
Dorie (Ellen DeGeneres, im Deutschen Anke Engelke) war schon immer ein Sorgenkind – und das wortwörtlich. Die Eltern von Dorie verzweifelten an ihrem „Gedächtnisverschwund“ und ließen sich Dinge einfallen, die dem kleinen Fisch-Mädchen das selbstständige Leben erleichtern könnten. So versuchten sie, ihrer Tochter Merk-Lieder beizubringen – ohne großen Erfolg. Dorie lebt nur im Moment und kennt keine Vergangenheit.
Auf einmal findet sich die junge Dorie alleine im dunklen Ozean wieder. Die Eltern sind weg. Natürlich weiß sie nicht, wie sie dort hingekommen ist. Irgendwann vergisst sie dann, dass sie überhaupt auf der Suche nach ihren Eltern ist, gefolgt davon, dass sie überhaupt Eltern hat. Dorie irrt durchs Meer, stößt mit fremden Fischen zusammen und bittet sie um Hilfe, die aber nur genervt weiterschwimmen. Dorie ist so verloren, wie man es nur sein kann.
Während 'Findet Nemo': Habt ihr ein Boot gesehen?
Irgendwann stößt Dorie mit dem nervösen Clownfish Marlin zusammen, der soeben seinen Sohn Nemo (Hayden Rolence) an ein Fischerboot verloren hat. Hier setzt die Geschichte von Findet Nemo ein. Nach einem weiteren Zeitsprung wird die Handlung ein Jahr in die Zukunft katapultiert und Dorie bekommt einen urplötzlichen Flashback: Sie kann sich an ihre Eltern erinnern!
'Findet Dorie' und Dories Eltern!
Dorie überredet Marlin und Nemo, ihr bei der Suche ihrer verschwundenen Eltern zu helfen. Oder war es doch Dorie, die verschwunden ist? Wer weiß. Auf ihrem neuen Trip quer durch den Ozean, bekommt Dorie immer mehr Flashbacks. Ihre Reise führt sie zum Marine Life Institute in Kalifornien, ein Sanatorium und Zoo für Meerestiere. Hier lauern Antworten, Gefahren und seltsame Gestalten. Und dann geht Dorie natürlich verloren – schon wieder.
Wie schreibt man eine gute Fortsetzung?
Im Gegensatz zu Disney, sind Fortsetzungen für das Partnerstudio Pixar ein Härtefall. Während wir vom besten Animationsstudio der Welt jedes Jahr einen neuen Klassiker geschenkt bekommen, der vollkommen unabhängig von anstrengenden Sequel-, Reboot- und Remake-Konstruktionen ist, kommt man manchmal eben doch nicht dran vorbei. Findet Nemo war einfach zu erfolgreich. Die Geschichte „sequel-los“ zu lassen, wäre ein Verbrechen. Doch die Toy Story-Trilogie hat uns eindrucksvoll bewiesen, dass Pixar auch Fortsetzungen produzieren kann, die noch besser sind als die Vorgänger. Diesen „Der Pate 2 -Effekt“ konnte man mit Die Monster Uni zwar nicht wiederholen – aber mit Findet Dorie vielleicht?
Die Regisseure Andrew Stanton und Angus MacLane machen im Bezug auf die Story (fast) alles richtig. Statt die gleiche Idee noch einmal im Dorie-Format aufzuwärmen, baut der Film die Nemo-Geschichte weiter aus. So gibt es in Findet Dorie Schnittstellen zum Vorgängerfilm, Flashbacks und Hintergrundwissen. Das alles ist elegant und ungezwungen in die Haupthandlung integriert, könnte für kleine Kinder aber dennoch etwas verwirrend sein. Doch für die 90er-Kids, die 2003 den ersten Teil mindestens drei Mal im Kino gesehen haben, wird die neue Erzählweise bestimmt ein großer Spaß.
Raus aus dem Meer, rein ins Aquarium
Nicht nur der Erzählton ist anders, auch das Setting. Denn vom Ozean sehen wir im zweiten Teil gar nicht mehr so viel. Stattdessen begeben sich Dorie, Marlin und Nemo in die Welt an Land – und begegnen Menschen. Zwar hat die Zahnarztpraxis aus Findet Nemo einen ähnlichen Bezug zur Menschenwelt gesucht, doch in Findet Dorie wird die Thematik auf ein ganz neues Level gehoben: Statt einem kleinen Aquarium gibt’s jetzt einen riesigen Aquarien-Zoo zu bestaunen. Eine künstliche Meereswelt, die aber in ihrer Optik nicht weniger beeindruckend ist, als die Korallenriffs aus Findet Nemo.
Wie lebt es sich als Fisch hinter Scheiben? Der Film bietet mehrere Blickwinkel aus mehreren Fischaugen. Während sich die einen Fische in ihrer sicheren Umgebung wohl fühlen, wollen die anderen so schnell wie möglich wieder „augewildert" werden. Der Film verbindet diese, besonders aus Fischperspektive dramatische Thematik mit viel Humor und cleveren Ideen.
Viel Fisch und viel Farbe
Der technische Standard von Pixar war bereits 2003 überragend. Dementsprechend haben die Optik und die Animationen im Vergleich zum Vorgänger nicht überaus viel Fortschritte gemacht. Dennoch faszinieren die Farbenpracht sowie die vielen versteckten Details, die der liebevoll gestaltete Animationsfilm bereithält. Wem Alles steht Kopf aus dem letzten Jahr zu minimalistisch aussah, der kommt bei Findet Dorie voll auf seine Kosten. Der 3D-Aufpreis geht dieses Mal in Ordnung.
Neue Gesichter und alte Bekannte
Fans des ersten Teils dürfen sich auf sympathische Cameos von altbekannten Charakteren freuen. Zum Glück übertreibt Pixar und Disney den Fanservice aber nicht und vermeidet somit kitschige und zusammenhangslose Déjà-vus. Dafür hat Pixar einfach zu viel Klasse.
Der beste Neuzugang der Fortsetzung ist der mürrische Krake namens Hank (Ed O’Neil, im Deutschen Roland Hemmo). Der Oktopus, Verzeihung, „Septopus“, denn Hank fehlt ein Arm, erinnert an den ebenfalls cholerischen Davy Jones (Bill Nighy) aus Pirates of the Caribbean. Auch die Gestik mittels Tentakeln ähnelt stark an den Captain der Flying Dutchman. Hank und Dorie sorgen konstant für herrlich komische Dialoge, die zu den besten Szenen des Films gehören. Dabei wird nicht sofort klar, ob Krake Hank ein Freund oder ein Bad Guy ist. An dieser Stelle ein Funfact: Kraken haben drei Herzen.
Wie es bei deutschen Synchronisationen von Animationsfilmen üblich ist, bekommen hin und wieder Charaktere einen heftigen deutschen Dialekt verpasst. Wer erinnert sich noch an den schwäbelnden Yeti in Die Monster AG? Hier sind es gleich mehrere Tiere, die unter anderem in Bayrisch oder Österreichisch One-Liner raushauen. Wenn dann aber schon das dritte Tier in einem bayrischen Dialekt spricht, wird der Gag ein wenig lahm. Wieso sprechen die Seelöwen zum Beispiel nicht Norddeutsch? Das hätte doch viel besser gepasst!
Dorie kann erneut ihr „Walisch“ auspacken: Denn in Findet Dorie gibt es gleich mehrere neue und kommunikationslustige Wal-Kumpels. Die Walhai Destiny ist kurzsichtig und der Beluga-Wal Bailey hat ein kaputtes Echolot. Dorie ist also nicht die Einzige mit einem Handicap. Jeder Charaktere kämpft seinen eigenen Kampf und fühlt sich selbst nicht im Stande, das eigene Leben ohne Hilfe zu bewältigen. Doch in Findet Dorie geht es um das „Über sich hinaus wachsen“. Die Aussage ist subtil, und fällt (mal wieder) nur den erwachsenen Pixar-Fans bewusst auf.
Gibt es wieder Pixar-Tränen?
Was wäre ein Disney-/Pixar-Film ohne feuchte Augen? Zwar sorgt Findet Dorie nicht für unhaltbare Schluchz-Exzesse im Kinosaal, wie sie Oben und Alles steht Kopf verursacht haben, doch die emotionale Erdung der Geschichte funktioniert auch dieses Mal. Dorie überzeugt als Hauptcharakter mit tragischer Hintergrund-Story und bekommt im Vergleich zu ihrem Auftritt im ersten Teil viel mehr Tiefe verliehen. Insgesamt wirkt das Sequel dadurch noch reifer als das Original. Zwischen Marlin und Nemo gibt es dieses Mal allerdings weniger emotionale Highlights und dafür mehr Situationskomik, als Gegengewicht zu Dories traurigeren Story-Linie. Im Vergleich zum zwar unterhaltsamen aber seichten Pets, zeigt Pixar, dass sie immer noch die wahren Meister der Familienfilme sind. Das Pixar-Versprechen, dass jung und alt ihren Spaß haben werden, wird erfüllt.
Ein langes, aber gelungenes Finale
Die 97 Minuten Spielzeit sind selbst für einen Animationsfilm eher kurz. Trotzdem fühlt sich Findet Dorie nicht wie ein kleiner Film an, denn die Ereignisse überschlagen sich in jeder Filmminute. Besonders in der zweiten Hälfte werden der Story jedoch etwas zu viele Hürden in den Weg gestellt, die es vor dem Ende noch zu bewältigen gibt. Dadurch fühlt es sich mehrmals so an, als ob der Film seinen Höhepunkt erreicht hat – bis eine weitere, noch dramatischere Szene folgt.
Neben einer emotionalen Auflösung der Geschichte erwartet uns ein rasanter Showdown an Land, der verrückter nicht sein könnte. Ohne zu viel zu verraten: Das Finale endet mit einer Slowmotion inklusive „What a wonderful world“ von Louis Armstrong und einem gewaltigen *PLATSCH*. Genial.
Fazit:
'Findet Dorie' ist seinem Vorgänger ebenbürtig
Nemo-Fans dürfen sich freuen: Findet Dorie macht genauso viel Spaß wie das Original vor 13 Jahren. Die Fortsetzung unterscheidet sich vom Vorgänger mit einem frischen Erzählstil und einem unbenutzten Setting. Findet Nemo und Findet Dorie harmonieren dadurch perfekt miteinander und ergänzen sich gegenseitig. Darüber hinaus gibt es wieder die üblichen Pixar-Qualitäten zu bewundern: Lupenreine und fantasievolle Animationen, knackiger Humor und eine Geschichte, bei der junge und ältere Fans voll auf ihre Kosten kommen. Pixar und Disney haben mal wieder routiniert eine kleine Perle aus dem Ärmel geschüttelt. Genau so muss ein Sequel sein.