
Worum geht’s?
Die USA verdächtigen mexikanische Drogenkartelle islamistische Terroristen über die mexikanisch-amerikanische Grenze zu schleusen. Unter Zugzwang, greift das Verteidigungsministerium auf den skrupellosen Matt Graver (Josh Brolin) zurück, der freie Hand bekommt, um einen Drogenkrieg anzuzetteln, der die mexikanischen Kartelle schwächen soll. Zusammen mit dem unerbittlichen Söldner Alejandro (Benicio del Toro) begibt sich Graver auf eine riskante Mission: In Mexico City soll die Tochter (Isabela Moner) eines großen Kartellbosses entführt werden.
Kaltblütige Effizienz

Die harten Kerle Alejandro (Benicio del Toro) und Matt Graver (Josh Brolin) gehen keine Kompromisse ein (v.l.n.r.).
In Sicario 2 wird nicht lang gefackelt, sondern direkt zur Tat geschritten. Statt einen Warnschuss abzugeben, durchlöchert Matt Graver lieber gleich den Motorblock seiner Verfolger. Gleichzeitig ist Sicario: Day of the Soldado, wie der Film im Original heißt, gnadenlos konsequent: In einer Szene, in der Selbstmordattentäter einen Supermarkt in die Luft sprengen, spielt die Inszenierung perfide mit unseren Hollywood-geprägten Sehgewohnheiten, nur um diese anschließend mit einer weitaus realistischeren aber umso schockierenderen Auflösung zu sprengen.
Pathetische Actionstunts und das übertriebe Zelebrieren von Gewalt gibt es dennoch kaum. Stefano Sollimas Inszenierung ist hingegen so schmucklos wie möglich und so grauenhaft wie nötig, was Sicario 2 zu einem intensiven Kinoerlebnis macht, nachdem zumindest ich erst einmal tief durchatmen musste.
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Fehlende Vielschichtigkeit
In der Summe fehlt es der Fortsetzung im Vergleich zu Sicario von Dennis Villeneuve (Arrival, Blade Runner 2049) jedoch an erzählerischer Raffinesse. Auch wenn Benicio del Toro und Josh Brolin als wortkarge, verschlossene Hauptfiguren nach wie vor überzeugen können, lässt der Film einen Gegenpol vermissen, der für Vielschichtigkeit und Abwechslung sorgt. Emily Blunts Rolle im ersten Teil erfüllte gerade diese Funktion. Ihre Abwesenheit macht die Fortsetzung deutlich monotoner.
Diese Einseitigkeit soll die Figur der 16-Jährigen Isabel Reyes durchbrechen. Auch wenn Isabela Moner ihre Rolle mit erfrischender Schnippigkeit spielt, bereichern ihre Kämpfermentalität und Rich-Bitch-Arroganz den Film zunächst kaum mit neuen Facetten: die Druglord-Tochter ist bereits in der Logik der Kartelle gefangen. Erst in der zweiten Hälfte wirkt sie sich auf die Handlung aus und ringt den Killermaschinen um sie herum ein wenig Menschlichkeit ab, die der Film dringend nötig hat.

Das Entführungsopfer Isabel Rheyes (Isabela Moner) kommt erst gegen Ende zum Tragen.
Dennoch bleibt Sicario 2 trotz dieses kleinen Lichtblickes überaus menschenverachtend und hoffnungslos. Das zeigt sich auch daran, dass Drehbuchautor Taylor Sheridan komplett auf ein Happy End verzichtet. Stattdessen endet der Thriller mit einem fiesen Cliffhanger (kein Spoiler!), der uns unseren Protagonisten in Frage stellen lässt, was umso deutlicher unterstreicht, dass es am Grenzstreifen kein Schwarz und Weiß gibt.
Unnötige Klischees
Auch wenn diese Entwicklung zu begrüßen ist, muss sich das Gesamtwerk des mit komplexen Crime-Werken vertrauten Regisseurs (Suburra, Gomorrah), dennoch den Vorwurf gefallen lassen, einen brisanten Konflikt einseitig abzubilden und rassistische Stereotypen zu bedienen: Die mexikanische Seite der Grenze scheint lediglich mit Drogendealern und korrupten Cops bevölkert zu sein, während die irrsinnige Destabilisierung-Taktik des US-Verteidigungsministeriums als legitimes Mittel präsentiert wird.
Diese Ignoranz ist umso enttäuschender, da das Potenzial dagewesen wäre, um mit Klischees zu brechen: Die Geschichte des jungen Mexikaners Miguel (Elijah Rodriguez), den der Sog des Geldes in die Fänge der Kartelle treibt, schreit gerade nach einer vielschichtigen Charakterentwicklung, die jedoch stur nach Klischee inszeniert wird.
Stilsicher und packend inszeniert
Trotz der genannten Schwächen, kann Sicario 2 mit einer absolut stilsicheren, hoch atmosphärischen Inszenierung aufwarten, deren kribbelnde Spannung zu keinem Zeitpunkt nachlässt. Dieses konstante Gefühl des Unwohlseins haucht der Handlung erst richtig Leben ein. So katapultieren uns die intensiven Kameraaufnahmen von Dariusz Wolski (Alien: Covenant, Der Marsianer) mitten ins Geschehen, fangen aber auch intime Charaktermomente subtil ein. Zudem sorgt das gift-grüne Color Grading für einen toxischen Look, der dem Setting den passenden Stempel aufdrückt. Untermauert wird die visuelle Inszenierung mit einem bedrohlichen Soundtrack von Hildur Guðnadóttir, der an das Nebelhorn eines dem Untergang geweihten Schiffes erinnert.
Fazit:
'Sicario 2' ist gnadenlos konsequentes Thriller-Kino
Sicario 2 ist kein reiner Actionfilm, sondern viel mehr ein düsterer, schlagkräftiger Thriller, dessen gnadenlos inszenierten Action-Sequenzen in ihrer Kompromisslosigkeit den Atem stocken lassen. Im Vergleich zum ersten Teil lässt die Handlung jedoch eine Ladung erzählerische Raffinesse vermissen. Als Entschädigung überzeugt die stilsichere Inszenierung, deren Soundtrack und Bilder für mitreißende Spannung sorgen. Sicario 3 ist noch nicht bestätigt, aber sehr wahrscheinlich.