
Obwohl wahrscheinlich keiner von uns an den Enfield Poltergeist tatsächlich glaubt - ein mulmiges Interesse wurde geweckt, oder?
Tatsächlich behandelt der Film noch einen weiteren bekannten Schauer-Fall: Den „Amityville-Horror“. Im Jahr 1974 erschoss Ronald DeFeo seine gesamte Familie (beide Eltern und vier Geschwister) mit einer Schrotflinte im Schlaf. Während den Gerichtsverhandlungen beharrte DeFeo darauf, dass er von einem Dämon besessen war, der ihn zur Tat zwang. Die Eröffnungssequenz von Conjuring 2 stellt dieses Ereignis auf eine ganz besondere Weise dar, die einem das Blut in den Adern gefrieren lässt.
Spuk oder Schwindel?
Lorraine Warren (Vera Farmiga) haben die Untersuchungen im Fall des Amityville-Horrors stark belastet. Dennoch pflegt das Ehepaar Warren nun ein öffentliches Leben und hält Vorträge an Universitäten und im Fernsehen. Drei Jahre später werden die Dämonologen schließlich nach England gerufen, um sich die Phänomene in Enfield anzusehen. Lorraine spürt erneut die furchterregende Präsenz in ihrem Kopf, die sie auch schon während des Amityville-Falls heimgesucht hat. Gibt es etwa einen Zusammenhang?
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Die Familie Hodgson lebt am Existenzminimum. Sie bewohnt ein schäbiges Haus im Londoner Stadtteil Enfield, dass sich vier Geschwister und eine alleinerziehende Mutter teilen müssen. Alle Kinder merken es: In ihrem Haus spukt es. Am stärksten trifft es die elfjährige Janet (Madison Wolfe), die jede Nacht von einer unheimlichen Präsenz vereinnahmt wird und anfängt Selbstgespräche zu führen oder zu schlafwandeln. Ihre ältere Schwester und Zimmergenossin Margaret (Lauren Esposito) spürt Janets Umnachtungen aus nächster Nähe. Schließlich machen sich auch diverse Möbel selbstständig. Ungünstig, dass die Ghostbusters erst sieben Jahre später gegründet wurden. Doch die Warrens sind genauso kompetente Geisterjäger.

Der echte Enfield Poltergeist in Action: Wird Janet hier durch die Luft gewirbelt oder springt sie einfach nur vom Bett?
Es stellt sich die Frage: Zieht die Familie Hodgson hier einen Schwindel auf, um mediale Aufmerksamkeit zu bekommen? Psychologin Anita Gregory (Franka Potente) will das beweisen. Doch die Warrens spüren den Spuk früh genug am eigenen Leib. Es muss also so schnell wie möglich herausgefunden werden, was für ein Wesen hier sein Unwesen treibt, um es schließlich bekämpfen zu können.
James Wan gibt alles
James Wan weiß ganz genau, was Nackenhaare zum Stehen bringt. Der junge Regisseur hat sich in den letzten Jahren als ein junger Alfred Hitchcock etabliert. Mit effektivem Horror, wie der Insidious-Reihe oder dem ersten Conjuring-Film, will James Wan dem Horror-Genre Respekt und Anerkennung in der Filmszene zurückgeben.
Dennoch verlässt sich Conjuring 2 auf den ganz traditionellen Grusel-Katalog. Geisterhäuser, Dämonen, Besessenheit, Kinder. Man hat die Horrorfilm-Checkliste mit größter Sorgfalt abgearbeitet. Hin und wieder werden die Inspirationsquellen mehr als deutlich - allen voran den Genre-Klassikern Der Exorzist oder Poltergeist wird mehrmals Tribut gezollt.
Klassischer Horror - entstaubt und aufpoliert
Was dem Film also an Innovation fehlt, macht er sofort mit technischer Raffinesse und schauspielerischen Meisterleistungen wieder wett. Nach wenigen Filmminuten wird klar: Das ist kein The Ring 2 oder ein x-beliebiges Paranormal Activity Sequel. Das hier hebt sich von der Masse ab. Die Bildkompositionen, das Szenenbild und der Soundtrack kühlen den Film herunter auf eine Temperatur unter dem Gefrierpunkt. Die wunderschön schaurige Atmosphäre und ein ungewöhnliches Zeit- und Ort-Setting machen den Film, auch abseits des Horror-Genres, zu einer visuellen Wucht.
Jede Kamerafahrt, jeder Bildausschnitt und jeder Schatten ist so perfekt in den Film integriert, dass die visuelle Umsetzung nicht nur schön, sondern vor allem effektiv ist. Es scheint so, als ob sich James Wan für jede Szene mit einem Psychologen zusammensetzte, der ihm die geheimen Kniffe für die optische Erzeugung von Stress und Angst verriet.
Creepy alte Nonnen und creepy alte Opas
Natürlich bedient sich auch Conjuring 2 vieler Jumpscares. Ein Horrorfilm, der den Kinosaal nicht zum hüpfen bringt, ist kein Horrorfilm. Dennoch - so einfach macht es sich James Wan nicht.

Wer ist diese hässliche Nonne, die beide Warrens in Conjuring 2 immer wieder in ihren Träumen sehen?
Schon in Conjuring - Die Heimsuchung bewies Wan mit der KLATSCH KLATSCH-Szene, wie man mit Stil erschreckt. Ein lautes Geräusch reicht schon lange nicht mehr aus, um als gruslig eingestuft zu werden. Stattdessen bietet der Film vor allem in der ersten Hälfte einige Zuck-Szenen, die sich schnell ins Gedächtnis einbrennen. Sobald mal wieder eine unangenehme Stille herrscht, lädt Wan die Luft voller Suspense auf, die jeden Moment explodieren könnte. Hin und wieder zeigt sich aber auch mal ein billiger Jumpscare, der vorhersehbar und nicht wirklich nötig gewesen wären. Man dachte sich wohl, dass das Publikum konstant wachgerüttelt werden müsse, doch die Atmosphäre ist unheimlich genug. Insgesamt bleibt der Film aber im Rahmen des ertragbaren. Eine wohl dosierte Einnahme von Grusel.
Die beiden Haupt-Geister des Films, eine „Nonne“ und der Geist eines alten Mannes, tragen gut dazu bei. Ihre äußere Erscheinung und ihr Verhalten geben dem Film zusätzlichen Wiedererkennungswert. Natürlich werde ich nicht verraten, was es mit den Beiden wirklich auf sich hat.
Mehr als nur Grusel
Für einen typischen Genre-Film, tritt Conjuring 2 erstaunlich oft auf die Bremse. Mit einer Laufzeit von über zwei Stunden erzählt der Film tatsächlich eine Geschichte, die es zu erzählen lohnt. Neben dem Spuk geht es vor allem um die Familie. Während sensationslustige Reporter sich um Story der Hodgens reißen, wollen andere den vermeintlichen Schwindel auffliegen lassen. Dabei baut der Film einen hübschen Handlungsbogen auf, der weit ausholt und auch einige Momente zum durchatmen bietet.
Dadurch lässt in der zweiten Hälfte der Gänsehaut-Faktor aber auch etwas nach. Stattdessen gewinnt die Geschichte an Dramatik. Diese erreicht einen eher emotionalen, als wirklich schaurigen Höhepunkt.
Madison Wolfe, so stark wie einst Haley Joel Osment
Ohne den grandiosen Cast würde Conjuring 2 nur halb so gut funktionieren. Ist es überhaupt noch möglich, dass Schauspieler in einem Horrorfilm mehr als nur generisches Beiwerk sind? Ja! Allen voran gibt Madison Wolfe als Janet Hodgson eine „Besessenes-Mädchen“-Darstellung für die Ewigkeit. Sie schafft es, die Zuschauer abwechselnd Mitleid, Sympathie und Angst spüren zu lassen, ohne dabei auch nur ansatzweise künstlich zu wirken. Eine so intensive Leistung eines Kinderschauspielers gab es zuletzt von Jacob Tremblay in Raum.
Die verzweifelte Mutter Peggy Hodgson, gespielt von Frances O’Connor, gibt den souveränen Gegenpart für eine authentische Mutter-Tochter-Beziehung. Auch die beiden kleinen Jungs, Benjamin Haigh und Patrick McAuley, zeigen in ihren wenigen Szenen, was sie als Kinderdarsteller draufhaben.

Janet Hodgson (Madison Wolfe) und Lorraine Warren (Vera Fermiga) halten ein Gespräch über Geister und die Welt.
Die Hauptcharaktere sind jedoch Ed und Lorraine Warren, wieder einmal hervorragend gespielt von Patrick Wilson und Vera Farmiga. Die Chemie zwischen den Beiden reicht aus für ein gutes Liebes-Drama und ist für das Horro-Genre untypisch, aber dennoch willkommen. Mehr als einmal sorgen Ed und Lorraine für die nötige Wärme in dem sonst düster-kalten Grusel-Streifen.
Fazit:
'Conjuring 2' ist die beste Horror-Fortsetzung aller Zeiten
Trailer, Plakate und Name lassen den Film zu Unrecht wie ein 0815-Horrorstreifen wirken, den man sich damals für einen Freitagabend schnell aus der Videothek ausgeliehen hätte. Und dann ist es auch noch eine Fortsetzung. Entgegen allen Erwartungen liefert James Wan aber eine Horror-Show ab, die seines Gleichen sucht. Es gibt zwar nichts Neues, aber Altes wird mit edler Technik und künstlerischer Hingabe so schaurig präsentiert, dass der Film extrem gut unterhält. Ein grandioser Cast gibt dem Film noch einmal mehr Klasse. Für alle Grusel-Fans heißt es also: Das ist die Chance eures Lebens, reingehen!